Die städtische Bibliothek der Intronati und das Museum Santa Maria della Scala in Siena haben gemeinsam ein Projekt gestartet, das sich die Erhaltung und den gesteigerten Nutzen des unschätzbaren Evangeliars zum Ziel gesetzt hat; sie können dabei auch auf die finanzielle Unterstützung von Gruppo Acea S.p.a. zählen. Die Digitalisierung und die ultrahochauflösende fotografische Erfassung sind bereits abgeschlossen; sie wurden vom fotografischen Labor der Intronati-Bibliothek bzw. von Haltadefinizione durchgeführt. Als Teil des Verlagshauses Franco Cosimo Panini hat sich Haltadefinizione, zusammen mit seinem Partnerunternehmen Memooria, auf die Digitalisierung von Gemälden, Dokumenten und antiken Handschriften spezialisiert.
Das Evangeliar ist gemeinhin als Lektionar bekannt, da es Lesungen aus den vier Evangelien enthält, die in liturgischen Feiern nach dem byzantinischen Ritus über das ganze Jahr hinweg zu lesen sind. Sein Einband stellt ein herausragendes Beispiel byzantinischen und venezianischen Kunsthandwerks dar. Der Buchdeckel ist aus vergoldetem Silber, mit zahlreichen kleinen dekorierten Emaille-Medaillons. Die Goldschmiedearbeiten stammen aus dem späten 13. bis ins frühe 14. Jahrhundert, während die byzantinischen Emaille-Medaillons auf unterschiedliche Epochen vom späten 10. Jahrhundert bis zum 13. Jahrhundert datiert werden können.
Die Seite mit der Abbildung der Evangelisten ist aus Pergament und zeigt vier Personen in Ganzkörperdarstellung vor einem Hintergrund aus Blattgold; sie sitzen schreibend an ihren Pulten, auf denen auch ihre Schreibutensilien zu sehen sind. Die Illustrationen des Texts enthalten eine Reihe kunstvoll gestalteter Initialen, die in ihrem Design die Formen menschlicher Körper sowie von Tieren oder Pflanzen verwenden.
Das Endergebnis der Digitalisierung dieses Kodex von unschätzbarem Wert wird in einer Ausstellung des Evangeliars in Santa Maria della Scala zu sehen sein, bei der auch ein interaktiver Multimedia-Player zur Verfügung stehen wird, der das Werk mittels Gigapixel+3D-Technologie komplett zugänglich machen wird. BesucherInnen können sich durch die Seiten des gesamten Buches blättern. Sie können sich auch bestimmte Ausschnitte heranzoomen, um dieses außergewöhnliche illustrierte Werk bis in seine kleinsten Details zu bewundern.
Die Gigapixel+3D-Fototechnologie von Haltadefinizione erfordert beim Fotografieren keinen physischen Kontakt mit den Kunstwerken, was sowohl das Kunstwerke schützt als auch digitale Bilder in höchster Qualität hervorbringt. Aufgrund der Bedeutung dieser Handschrift und der Tatsache, dass sie besonders empfindlich ist, wurde die gesamte Digitalisierungsarbeit vor Ort durchgeführt, wo das Team eine vollständige Kopie aller Seiten erstellen konnte. Außerdem liefert der digitale 3D-Aufnahmeprozess Mapping-Daten, die die Form des Objekts nachbilden und Farben, Schattierungen, Details, Konturen, Präzision und Licht auf der Oberfläche originalgetreu wiedergeben.
Die digitale Bildtechnologie stellt heute eine wertvolle Material- und Informationsquelle für Forschung und Studium dar und bietet gleichzeitig eine Art Ausgangskopie, um zukünftige Konservierungsmaßnahmen für das Evangeliar zu erleichtern. Die Ausrüstung für die digitalen Aufnahmen von Haltadefinizione entspricht den strengen Standards des italienischen Instituts für Restaurierung ICR (Istituto Centrale per il Restauro).
Die virtuelle Kopie wird es den BesucherInnen ermöglichen auf eine neue Art und Weise in das Manuskript einzutauchen, was zu einer intensiveren Erfahrung für das Publikum und neuen Betriebsoptionen für das Museum führen wird.
Die Geschichte des Evangeliars
1359 kam das Krankenhaus Santa Maria della Scala nach Verhandlungen in Venedig zwischen Bruder Andrea di Grazia, dem Gesandten des Krankenhauses von Siena, und Pietro di Giunta Torrigiano, einem florentinischen Händler, in den Besitz einer Sammlung von Relikten aus dem Kaiserlichen Schatz von Konstantinopel, darunter auch dieses Evangeliar von unschätzbarem Wert.
Torrigiano hatte die Relikte 1357 in Konstantinopel erworben. Auf Basis eines schriftlichen Abkommens, unterzeichnet am 28. Mai, übergab er alle geistlichen Objekte, mit einem Wert in der Höhe von 3000 Florentinern, dem Krankenhaus und erhielt dafür im Gegenzug eine lebenslange Pension und das Wohnrecht in einem Haus.
Der Kodex stammt aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts. 1786 wurde er auf Befehl des Großherzogs der Toskana Peter Leopold an die Biblioteca della Sapienza, heute bekannt als die städtische Bibliothek der Intronati, in Siena übergeben. Seitdem bildet sie einen Teil von deren Handschriftensammlung unter der Signatur „X.IV.1“. 1996 wurde an der Biblioteca Medicea Laurenziana in Florenz ein umfassendes Restaurierungsprojekt durchgeführt, das sich vor allem dem Pergament widmete, sowie am Opificio delle pietre dure, einem staatlichen Institut zur Restaurierung und Konservierung.
Dieses Kunstwerk wurde für die Ausstellung „Das Gold von Siena“, die im Museumskomplex Santa Maria della Scala stattfand, wieder mit den anderen Relikten zusammengeführt. Dort befindet es sich als Langzeitleihgabe der städtischen Bibliothek auch heute noch.
Die neue Ausstellung im Museum Santa Maria della Scala wird am Donnerstag, dem 16. Dezember um 10.30 eröffnet.
Weitre Informationen erhalten Sie im Museumskomplex Santa Maria della Scala, Piazza del Duomo, 1 in Siena.